PersonalServiceAgenturen als Chance für jugendliche Arbeitslose?

Aus Fuldawiki

Version vom 10:33, 3. Okt. 2006 bei 84.171.72.55 (Diskussion)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Vorwort der Autorin des Artikels, Bettina Licht:

In 2003 recherchierte ich für diesen Fachartikel, der in der Fachzeitschrift "Jugendhilfe" veröffentlicht wurde. Die Personalserviceagentur für junge Leute bis 25 Jahre wurde damals an den privaten Bildungsträger "Kombrecht-Engel-Schule" mit Firmensitz in Baden Württemberg vergeben. Dieser Bildungsträger gab in Fulda seine Arbeit mit der PSA bereits im Sommer 2005 wieder auf und hat sich mittlerweile nach seinem relativ kurzen Gastspiel in Fulda ganz aus unserer Region zurückgezogen. Von Anfang Januar 2006 bis offiziell 31.8.2006 führte die Kombrecht-Engel-Schule eine weitere Maßnahme der Agentur für Arbeit durch: die ausbildungsbegleitenden Hilfen, Stützunterricht und sozialpädagogische Angebote für Jugendliche in einer betrieblichen Berufsausbildung. Die ausbildungsbegleitenden Hilfen hatte die Kombrecht-Engel-Schule in einer Ausschreibung in 2005 dem Fuldaer Bildungsträger Prisma gGmbH durch ein Billig-Angebot abgejagt. Prisma gGmbH führte diese Maßnahme vorher schon 19 Jahre sehr erfolgreich in Fulda durch. Bei einer erneuten Ausschreibung in 2006 ging der Zuschlag ab 1.9.2006 wieder an den bewährten Träger Prisma gGmbH. (www.prisma-fulda.de) Was aus der PSA für junge Leute unter 25 Jahre wurde, die die Kombrecht-Engel-Schule in 2005 aufgab? Da müsste ich mal nachforschen. Mein Eindruck: die PSAs in der von der Hartz-Kommission geplanten Form gibt es gar nicht mehr. Die Namen der befragten Zeitarbeitsunternehmen wurden von mir auf Wunsch der Firmen geändert. Es handelt sich aber um die vier größten Zeitarbeitsfirmen der Fuldaer Region.'

PersonalServiceAgenturen als Chance für jugendliche Arbeitslose?

Bettina Licht

Vor einigen Tagen hörte ich erneut Bundesminister Clement öffentlich verkünden, die umstrittenen Vorschläge der Hartz-Kommission sollen zügig umgesetzt werden. Vor allem von der Einrichtung der PersonalServiceAgenturen (PSAs), staatlich subventionierten Leiharbeitsunternehmen, verspricht sich die Bundesregierung Erfolg in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

Wir erinnern uns: Vor dem Hintergrund unkorrekter Abrechnungszahlen bei der Bundesanstalt für Arbeit setzte sich im Jahr 2002 eine 15-köpfige Expertenkommission unter der Leitung von Dr. Peter Hartz, Vorstand der Volkswagen-AG zusammen, um zunächst Vorschläge zum Umbau der Arbeitsverwaltung auszuarbeiten. Das alles mit dem Ziel, die Effizienz der Bundesanstalt und der Arbeitsämter zu erhöhen.

Dass am Ende der Kommissionsarbeit ein 355 Seiten starkes Papier mit Ideen entstand, wie man die Arbeitslosigkeit in Deutschland in den nächsten 3 Jahren fast um die Hälfte (!) reduzieren kann, lässt einen staunen.

Obwohl im Prinzip jeder weiß, dass Arbeitslosigkeit in den meisten europäischen Ländern das zentrale gesellschaftliche und wirtschaftliche Problem ist, vermitteln die Hartz-Ideen den Eindruck, es bedürfe nur einiger Umstrukturierungen der Arbeitsverwaltung und der Erhöhung des Drucks auf Arbeitslose, um die lästige Sorge von zunächst 2 Mio. Arbeitslosen in Deutschland aus der Welt zu schaffen.

Für die benachteiligten Jugendlichen, die ich als Sozialpädagogin bei einem Bildungsträger betreue, gibt es heute kaum mehr Bedarf auf dem Arbeitsmarkt. Es gelingt z. B. zunehmend schlechter, diese Jugendlichen als kostenlose Praktikanten in Betriebe zu vermitteln. Selbst Jugendliche, die eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, müssen sich auf z. T. längere Zeiten von Arbeitslosigkeit einrichten. Wie kann man da annehmen, dass Firmen zukünftig für diesen Personenkreis bei einer PersonalServiceAgentur für die Ausleihe Geld bezahlen werden?

Nachdem bereits andere "Bausteine" des Hartz-Konzepts, wie die Ich-AG (Unwort des Jahres 2002) oder die Bildungsgutscheine sich bei der Umsetzung als unausgegoren herausstellten und die Inanspruchnahme eher mäßig war, sollen nun die PSAs (Hartz-Kommission: Das "Herzstück" im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit) das Ruder herumreißen.

Die Arbeitsämter, die in Zukunft die irgendwie sehr modern wirkenden Namen "Job Center" oder "Kompetenz-Center" tragen werden, sollen bald alle mit einer oder mehreren PSAs zusammenarbeiten. Das können gleich private Zeitarbeitsfirmen sein, Bildungsträger oder aber Gesellschaften des Arbeitsamtes.

Im gewerblich-technischen Bereich vergab unser Arbeitsamt bereits eine PSA für 40 Arbeitslose an ein angesehenes Zeitarbeitsunternehmen vor Ort, der Zuschlag für 40 Leute aus dem kaufmännischen Bereich ging an einen auswärtigen Bildungsträger, der sich hier auf dem Markt etablieren möchte. Auch eine spezielle PSA für die Vermittlung von 25 jugendlichen Arbeitnehmern schrieb das Arbeitsamt aus. Im September 2003 soll sie ihre Tätigkeit aufnehmen.


Klebeeffekt?

Die Idee einer PSA sieht vor, Arbeitslose gegen vergleichsweise niedrige Gebühren Unternehmen zu überlassen. Die Hartz-Kommission baut darauf, dass dadurch Mitarbeiter bei den Firmen "kleben" bleiben, d. h. in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen werden. Wie bei Zeitarbeit üblich entstehen den ausleihenden Unternehmen zunächst keine arbeitsrechtlichen Verpflichtungen. Die PSAs stellen die Mitarbeiter ein; passt der Mitarbeiter nicht in den Betrieb, in den er vermittelt wurde, braucht man ihn nicht mehr, schickt man ihn problemlos an die PSA zurück. "Verleihfreie Zeiten" liegen bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage nicht unbedingt in der Person des Leiharbeiters begründet. Häufen sich allerdings bei dem Angestellten der PSA die Zeiten, in denen er nicht vermittelt ist, kann sich die PSA wieder von ihm trennen. Der Mitarbeiter geht erneut in die Arbeitslosigkeit, aber ab jetzt mit deutlich weniger Arbeitslosengeld als vorher.

Überhaupt erscheint die Vergütungsstruktur bei den PSAs undurchsichtig. Geplant war in den ersten 6 Monaten Beschäftigung bei einer PSA, die als Probezeit gilt, eine Vergütung in Höhe des Arbeitslosengeldes. Danach sollten die Mitarbeiter etwa 70 % ihres vormaligen Bruttolohnes erhalten. Praktisch hätte das möglicherweise bedeuten kön¬nen: Eine Firma entlässt Fachpersonal, das vom Job Center in eine PSA vermittelt wird. Nun kann der vorherige Arbeitgeber sein ehemaliges Fachpersonal bei der PSA ohne Risiko wieder ausleihen. Die Firmen sollten die PSA-Angestellten gegen eine Leihgebühr überlassen bekommen, die sich an etwa 50 % der Kosten, die der PSA entstehen, orientiert. Rechenbeispielen zufolge sparen Betriebe damit für ihre Mitarbeiter 2/3 des vorherigen Arbeitgeberbrutto. Die Angestellten bekommen für die gleiche Arbeit wie vorher 70 % ihres Bruttoentgeltes. Ist dieser Fall vielleicht zu konstruiert? Die Zukunft wird es zeigen.


Ware Mensch - Faktor Arbeit

Heute findet allerdings bereits das statt, was meine Freundin, eine arbeitslose Sozialpädagogin, mir über ihre Erfahrungen in einem Bewerbungsgespräch bei einer Vermittlungsstelle für arbeitslose SozialhilfeempfängerInnen berichtete. Sie hatte sich dort für die Aufgabe beworben, Arbeitslosen zu einem Job zu verhelfen. Gleich zu Anfang des Bewerbungsgesprächs erklärte die Leiterin der Firma meiner Freundin, sie habe sich bei einem Wirtschaftsunternehmen beworben und ihre Tätigkeit bestehe darin, die "Ware Mensch" zu "verkaufen". Von 60 bis 80 SozialhilfeempfängerInnen hätte sie ein Profil zu erstellen und die passende Arbeitsstelle zu suchen. Mindestsoll sei die Vermittlung von 2,5 Leuten pro Monat.

Die Arbeitsbedingungen meiner Freundin: 40-Stunden-Woche, Einsatz ihres Privat-PKWs und eine Bezahlung, die erheblich unter dem BAT angesiedelt ist. Seit Monaten steht die Firma im Stellenangebotsservice des Arbeitsamtes. Die Vermutung meiner Freundin: Entweder sie finden keine Mitarbeiter, die im "Menschenverkauf" tätig sein möchten oder die Mitarbeiterfluktuation ist hoch.


Herr W. von der "Gesellschaft für Arbeitnehmerüberlassung mbH"

Um den Perspektiven, die Leiharbeit möglicherweise doch für Arbeitslose bieten kann, auf die Spur zu kommen, befragte ich vier bekannte Personalvermittlungsunternehmen unserer Stadt darüber, wie sie die Zukunft der Leiharbeit, die PSAs und die Chancen für jugendliche Arbeitslose einschätzen. Zunächst reagierten die vier Firmen auf meine Anrufe etwas misstrauisch. Sie müssen es sein, denn der Branche "Zeitarbeit" hängt ein zweifelhafter Ruf an. Herr F. von der Zeitarbeitsfirma "AP-Dienstleistungen" bemerkt mir gegenüber allerdings, dass dies nur in Deutschland so ist. Im gesamtem europäischen Ausland erfahre Zeitarbeit eine breite Akzeptanz. Und in USA ist die Leiharbeitsfirma "MANPOWER" der landesweit größte Arbeitgeber.

Die befragten Unternehmen sind zudem durch die neuen Entwicklungen aufgrund der Hartz-Vorschläge verunsichert. Als ich erkläre, dass ich als Sozialpädagogin bei einem Bildungsträger mit benachteiligten Jugendlichen im Übergang von der Schule ins Berufsleben tätig bin, entgegnet mir Herr W. von der "Gesellschaft für Arbeitnehmerüberlassung mbH", es hätten bereits öfters Bildungsträger bei ihm angerufen, um ihm Jugendliche aus dem Kreis der Benachteiligten anzubieten oder eine Kooperation mit seiner Firma einzugehen. Herr W. denkt, viele Menschen machen sich ein falsches Bild von Zeitarbeit. Ein Personaldienstleistungsunternehmen sei kein "sozialer Staubsauger", sondern ein privatwirtschaftlicher Betrieb. Das Arbeitsamt habe bei den ansässigen Zeitarbeitsfirmen angefragt, inwieweit sich die Branche bei der Übernahme einer PSA engagieren will. Die Resonanz sei jedoch mäßig gewesen. "Es ist eine Utopie anzunehmen, man könnte ein gesellschaftlich hochbrisantes Problem auf die Privatwirtschaft abwälzen", sagt Herr W..

Seine Einschätzung der PSAs sieht düster aus. Herr W. gibt ihnen keine Chance auf dem Markt. "Sehen Sie", erklärt er, "eine Firma wie unsere sucht sich ihre Mitarbeiter sehr genau aus. Seitens der Betriebe, die von uns Mitarbeiter anfordern, bestehen hohe Erwartungen an das Personal. Wir vermitteln europaweit gut qualifiziertes Fachpersonal, Spezialisten für Hightec-Unternehmen. Während wir unsere Angestellten gezielt auswählen, bekommen PSAs ihr Personal vom Arbeitsamt zugewiesen. Diese Leute halte ich über Zeitarbeit für nicht vermittelbar."

Nachdem sich das erste Misstrauen meiner Person gegenüber auflöst, spricht sich Herr W. seinen Ärger über die PSAs vom Herzen. "Die Mitarbeit in unserer Firma ist kein Berufseignungstest oder ein Praktikum. Die Ausleiher bezahlen gut für unsere Spezialisten und erwarten hohe Leistungsfähigkeit. Nur psychisch stabile und qualifizierte Leute sind für Zeitarbeit geeignet. Menschen, die vielleicht schon eine Weile arbeitslos sind, deren persönliche und berufliche Lage prekär ist, werden schwer über Zeitarbeit Fuß fassen. Wie soll eine PSA Arbeitslose verleihen können, wenn wir in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation zunehmend Schwierigkeiten haben, unser hervorragendes Personal unterzubringen?"

Besonders ärgerlich ist Herr W. über die Ideen, Arbeitslose dann entsprechend zu Billiglöhnen "anzubieten". Das kann seiner Meinung nach die ganze Branche kaputt machen. Auch die geplante Praxis, für die über Zeitarbeit in einen festen Arbeitsplatz vermittelten Arbeitslosen Erfolgsprovisionen zu gewähren, macht Herrn W. böse. "Das halte ich geradezu für unmenschlich", sagt er.


Herr G. vom Unternehmen "j-ZeitArbeit"

Nach anfänglichem Zögern bestand bei den Mitarbeitern der angesprochenen Zeitarbeitsunternehmen große Bereitschaft, mich über die Branche zu informieren. So antwortete Herr G. vom Unternehmen "j-ZeitArbeit" in einem zweistündigen Gespräch ausführlich auf alle meine Fragen. Die Firma "j-ZeitArbeit" gibt es seit etwa 8 Jahren in unserer Stadt. Überregional existieren 13 Büros, die insgesamt um die 800 Mitarbeiter beschäftigen und Kontakt zu 500 Firmen haben. Die Tendenz ist steigend. Zwischen 60 bis 80 Mitarbeiter setzt "j-ZeitArbeit" vor Ort ein. Als Herr G. in unserer Stadt anfing, gab es fünf Zeitarbeitsfirmen. Mittlerweile hat sich die Zahl auf ungefähr 20 ausgeweitet.

"Der Markt in unserer Stadt ist aufnahmebereit", bemerkt Herr G. dazu.

Einige Firmen gaben aber schon nach kurzer Zeit wieder auf. Herr G. führt an, dass seine Firma nur deswegen immer eine Mitarbeiterauslastung von fast 100 % hat, weil die 13 Niederlassungen die Mitarbeiter untereinander austauschen.

Allerdings orientieren sich die einzelnen Agenturen an den jeweiligen Arbeitsmarktbedingungen in ihrem Ort. So vermittelt die Niederlassung in unserer Stadt mehr Fachkräfte im technischen Bereich: Facharbeiter, Techniker und Ingenieure. Andere "j-ZeitArbeit"-Filialen stellen verstärkter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Handel und Verwaltung ein.

Ich hatte u. a. die Vorstellung über Zeitarbeit, hier würden vor allem Saisonarbeiter verliehen, doch Herr G. erklärt, dass die sehr stark saisonabhängige Gastronomie z. B. Zeitarbeit kaum nachfrage. Dieser Sektor bediene sich gerne geringfügig Beschäftigter. Viele Tätigkeiten in der Gastronomiebranche seien Anlerntätigkeiten. Die meisten Zeitarbeitsfirmen sind aber spezialisiert auf Bereiche, in denen hochqualifizierte Mitarbeiter benötigt werden.

Ich frage nach der Baubranche. "Bau ist für uns tabu", informiert mich Herr G.. Die starke Baugewerkschaft hat durchgesetzt, dass Zeitarbeitsfirmen Maurer, Fliesenleger, Zimmerer oder Dachdecker dann einstellen dürfen, wenn sie die Bautarife bezahlen. Dabei kommen Zeitarbeitsfirmen auf keinen vernünftigen Schnitt. Das System funktioniert nur, wenn die Mitarbeiter der Zeitarbeitsfirma etwa 20 % weniger bekommen als für eine vergleichbare Tätigkeit in der freien Wirtschaft, denn die Firmen, die Zeitarbeit nutzen, nehmen die Mitarbeiter nur, wenn sie billiger sind als Festangestellte.

Dabei muss eine Zeitarbeitsfirma knapp kalkulieren; sie trägt neben den Lohnkosten auch noch Fahrtkostenpauschalen oder Übernachtungskosten für Mitarbeiter, die in weit vom Heimatort entfernt liegende Firmen verliehen werden.

Umso erfreulicher war es zu hören, dass die befragten Zeitarbeitsfirmen bei ihren Mitarbeitern zu fast 100 % das Risiko von unbefristeten Arbeitsverträgen auf sich nehmen. Zudem gaben die Zeitarbeitsfirmen an, dass sie zu den unbefristeten Arbeitsverträgen ihren Mitarbeitern auch alle Sozialleistungen anbieten wie z. B. Weihnachts- und Urlaubsgeld und Vermögensbildung. Wir erinnern uns an die PSAs, die Personal mit zu langen verleihfreien Zeiträumen einfach und scheinbar schmerzlos wieder in die Arbeitslosigkeit schicken können.

Als ich Herrn G. nach jüngeren Arbeitnehmern unter 27 Jahren frage, geht er so darauf ein: Etwa ein Viertel der Mitarbeiter des Unternehmens "j-ZeitArbeit" gehören dieser jungen Gruppe an. Zeitarbeit sei aber nicht eine Frage des Alters sondern der Qualifikation. Genau wie Herr W. betont Herr G., dass Zeitarbeit nicht geeignet ist für junge Leute ohne entsprechende gute Berufsausbildung, vielleicht sogar Studium und ohne einige Jahre Berufserfahrung. Mit Jugendlichen, die direkt nach der Ausbildung zu "j-ZeitArbeit" kamen, hat Herr G. teilweise schlechte Erfahrungen gemacht. Viele kommen mit falschen Vorstellungen. Als Zeitarbeiter hat man für die ausleihenden Firmen oft "Feuerwehrfunktion". Die Anforderungen an Anpassungsfähigkeit und Flexibilität sind sehr hoch. Sich rasch in einem fremden Betrieb einzufügen, sich dort zu organisieren, bedeutet Stress. Auch kommt es vor, dass die Leiharbeiter in den Betrieben von der festen Belegschaft nicht positiv aufgenommen werden. Neidgefühle oder irrationale Ängste um den eigenen Arbeitsplatz spielen hier eine Rolle. Wer nicht stark belastbar ist, so Herr G., hält diesem Druck nicht stand.

Für seine jungen, gut ausgebildeten, dynamischen Mitarbeiter beschreibt Herr G. die vorübergehende Tätigkeit bei der Zeitarbeitsfirma als beste Alternative zur Arbeitslosigkeit. Die jungen Mitarbeiter kämen ein, zwei Jahre von zu Hause raus, machten Berufserfahrung, erweiterten ihre fachlichen und persönlichen Kompetenzen. Die Chance für Leute aus dieser Gruppe, über "j-ZeitArbeit" einen festen Arbeitsplatz in einer Firma, die zu ihnen passt, zu finden ist hoch. Viele sehen ihre Tätigkeit bei einer Zeitarbeitsfirma auch von vorneherein als ein Sprungbrett an. Dazu Herr G.: "Die guten Mitarbeiter finden über die Zeitarbeit rasch eine Festanstellung. Das ist unser Schicksal. Wir sind darüber nicht nur traurig. Es bindet die Unternehmen, die bei uns ausleihen, stärker an "j-ZeitArbeit", es stellt die Kompetenz unserer Firma heraus, die richtigen Mitarbeiter auszuwählen. Unternehmen, die von uns gute Leute fest eingestellt haben, werden später wieder bei uns ausleihen." "j-ZeitArbeit" betätigt sich auch in der direkten Vermittlung von Personal. Für die Kunden geht dabei die Rechnung auf: Ein Jahr lang sind die Arbeitskräfte noch bei der Zeitarbeitsfirma angestellt, danach - wenn sie sich in der ausleihenden Firma bewährt haben - bekommen sie einen Vertrag, der wiederum ein halbes Jahr Probezeit vorgibt. Eineinhalb Jahre können Betrieb und Mitarbeiter also testen, ob sie zusammen passen und sich gegebenenfalls problemlos wieder voneinander trennen, wenn es nicht funktioniert. Viele Mitarbeiter können dadurch beruflich Fuß fassen.

"Der von der Hartz-Kommission angestrebte Klebeeffekt", bemerke ich.

Doch nach Herrn G's Meinung hätte Zeitarbeit für den Kreis der jungen Leute, die ich beim Bildungsträger betreue, die gegenteilige Wirkung. Diese Jugendlichen seien mit den Strukturen der Zeitarbeit schlicht überfordert. Verleihe man als Zeitarbeitsfirma einige Male mäßige bis schlechte Mitarbeiter, sei man weg vom Markt. Für "j-ZeitArbeit" ist die Pflege der ausleihenden Firmen das A & O. Herr G. macht regelmäßig Firmenbesuche und erkundigt sich nach eventuellen Problemen mit den ausgeliehe¬nen Mitarbeitern. Zudem versucht er, das "Ohr am Markt" zu halten, um Angebotslücken zu erspüren. Das Firmenimage von "j-ZeitArbeit" und die vertrauensbildenden Maßnahmen mit den Kunden hält er für das Wichtigste.

Hier liegt für ihn auch die Krux der PSAs. Bei einer "normalen" Zeitarbeitsfirma gehe es um Dienstleistungen für Unternehmen, die sich die Ausleiher auch etwas kosten lassen. Bei einer PSA sei der Blickwinkel ein ganz anderer: Die Krise der Arbeitsgesellschaft solle damit gelöst werden, dass man den Unternehmen letztlich unvermittelbare Arbeitskräfte zu Dumpingpreisen "aufdrückt". Während die Zeitarbeitsfirma reelle Vergütungen für verliehenes Personal fordern kann, sind die Mitarbeiter der PSA hochsubventioniert. "Dadurch wird kein zusätzlicher Arbeitsplatz geschaffen", sagt Herr G.. Ich frage Herrn G., ob nicht auch das Arbeitsamt Mitarbeiter zur Zeitarbeitsfirma schickt. Seine Antwort lautet, dass etwa 90 % der Bewerber auf eigene Initiative vorstellig werden. Nur 10 % kommen vom Arbeitsamt, und die Wenigsten erscheinen bei "j-ZeitArbeit", um sich nur den vom Arbeitsamt geforderten Stempel zu holen, der bezeugt, sie haben sich um Arbeit bemüht. Bemerkenswert findet Herr G. die vielen Arbeitslosen, die sich regelmäßig in seinem Büro einfinden und sich nach Arbeit erkundigen. Doch Herr G. ist gezwungen, die Mitarbeiter für seine Firma sehr genau auszuwählen und kann für viele der Arbeitssuchenden nichts tun. In der letzten Zeit, so Herr G., kämen verstärkt Russlanddeutsche. Den wenigsten könne er weiterhelfen, da sie nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügten. "Einige kommen sogar mit Dolmetscher zu uns".

Zum Schluss frage ich Herrn G., wie er die Zukunft der Zeitarbeit einschätzt. Kann eine groß angelegte Kampagne zur Ausweitung der Zeitarbeit durch die PSAs erfolgreich in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sein? Werden vielleicht in Zukunft alle Arbeiten nur noch von ausgeliehenem Personal erledigt werden?

Genau wie Herr W. von der "Gesellschaft für Arbeitnehmerüberlassung mbH" hält Herr G. diesen Gedanken für eine reine Utopie.

"Unternehmen brauchen Stammpersonal. Zeitarbeit kann nur flankierend dazu eingeführt werden. Wir haben Betriebe, die mittlerweile etwa 10 % der Arbeiten von gelie¬henen Angestellten erledigen lassen. Mehr kann ein Unternehmen nicht verkraften. Es muss eine Stammmannschaft da sein, die die neu hinzukommenden Leute integriert, einarbeitet. In der Größenordnung von 10 % Leiharbeiter stimmt das Verhältnis noch, und die Arbeitsplätze der Festangestellten werden durch Zeitarbeit krisensicherer."


Herr S. von der "Aktiv-ZA"

Die nächste Stelle, die ich anlaufe, ist die "Aktiv-ZA", die seit Anfang des Jahres 2003 auf einen Schlag mit 15 Filialen in ganz Deutschland auftritt. In den nächsten fünf Jahren will die "Aktiv-ZA" mit 50 Niederlassungen bundesweit vertreten sein. Die Zentrale liegt in unserer Stadt. Der Gründer des Unternehmens blickt auf eine langjährige Erfahrung im Personaldienstleistungsgeschäft zurück. Eines seiner Ziele ist es, vom schlechten Image der Zeitarbeit wegzukommen.

Herr S., mein Gesprächspartner von der "Aktiv-ZA" denkt, dass die PSAs dazu beitragen, die Wahrnehmung von Zeitarbeit in der Bevölkerung zu verändern. "Eine solch breite Akzeptanz unserer Arbeit wäre vor fünf Jahren noch nicht dagewesen."

Hier enden für Herrn S. allerdings die positiven Seiten der PSAs bereits wieder. Auch Herr S. stellt wie seine Kollegen der anderen Zeitarbeitsfirmen heraus, dass nur gut qualifizierte Arbeitnehmer Chancen haben, Zeitarbeit für ihre persönliche und berufliche Entwicklung zu nutzen. Für gute Facharbeiter mit ein bis zwei Jahren Berufserfahrung schätzt Herr S. die Zukunftsaussichten in einer Zeitarbeitsfirma vielversprechend ein. Herr S. betont, dass die Firma "Aktiv-ZA" - wie die meisten Personaldienstleistungsunternehmen - den Mitarbeitern unbefristete Arbeitsverträge mit weitreichenden Sozialleistungen anbietet. Man wolle motivierte Angestellte haben, sagt Herr S.. Ich frage nach der Altersstruktur unter den Mitarbeitern der "Aktiv-ZA". Hier setzt man als junges Unternehmen auch auf junge Mitarbeiter. Etwa zwei Drittel sind jüngere, gut ausgebildete Fachkräfte. Zu einem Drittel stellte die Firma ältere Mitarbeiter ein. Das Verhältnis von Älteren zu Jüngeren sei aber nur in der "Aktiv-ZA" so, äußert Herr S.. In der Zeitarbeitsfirma, in der er vorher tätig war, baute man stärker auf ältere Arbeitnehmer. Der Arbeitsmarkt befände sich immer noch im "Jugendwahn", Arbeitgeber wünschten sich dreißigjährige Angestellte mit zwanzig Jahren Berufserfahrung (O-Ton Herr S.), doch gerade in der Zeitarbeit bekämen ältere Mitarbeiter eine Perspektive. Junge Mitarbeiter verfügten über zu wenig praktische Berufserfahrung, wüssten noch nicht genau, auf was es in ihrem Berufsfeld ankommt und hätten daher Probleme, sich sofort in den Firmen, an die sie verliehen werden, zurecht zu finden.


Herr F. von "AP-Dienstleistungen"

Die letzte Zeitarbeitsfirma, die ich befrage, ist die "AP-Dienstleistungen", ein deutschlandweit seit Jahren erfolgreich mit zahlreichen Filialen arbeitendes Unternehmen, dessen Hauptfirmensitz sich in unserer Stadt befindet.

"AP-Dienstleistungen" betreibt seit kurzem die erste PSA für 40 Arbeitslose aus gewerblich-technischen Berufen hier vor Ort. Ich frage Herrn F., meinen Gesprächspartner von "AP-Dienstleistungen", warum seine Firma sich um diese Aufgabe beworben hat. Hat eine Zeitarbeitsfirma nicht ganz andere Ziele als eine PSA?

"Das stimmt", sagt Herr F., "bei der PSA geht es darum, möglichst viele Arbeitslose über eine Verleihung in ein festes Arbeitsverhältnis zu bringen." Bei der Zeitarbeitsfirma möchte man gute Mitarbeiter im Unternehmen halten, das sei sicherlich eine andere Herangehensweise. Doch für Herrn F. passt die PSA durchaus ins Konzept von "AP-Dienstleistungen". "Wir haben durch unsere breiten Kontakte zu Firmen ganz andere Möglichkeiten der Vermittlung als das Arbeitsamt".

Ich spreche Herrn F. auf die Schwierigkeit an, dass die Zeitarbeitsfirma sich ihre Mitarbeiter bedarfsgerecht aussuchen kann, während für die PSA die Arbeitskräfte vom Arbeitsamt geschickt werden. Das schätzt Herr F. nicht zu problematisch ein. Die guten Firmenkontakte erlauben "AP-Dienstleistungen" eine schnelle Vermittlung. Die ersten zehn PSA-Leute aus den Berufsbereichen Holz, Metall, Sanitär, Elektro seien bereits in Arbeit. Bis September wird "AP-Dienstleistungen" weitere dreißig Mitarbeiter zugewiesen bekommen.

Wird sich "AP-Dienstleistungen" um die PSA für 25 Jugendliche bewerben, für die zur Zeit die Ausschreibung läuft? "Wahrscheinlich", antwortet Herr F..

Die Vergütung der PSA-Mitarbeiter interessiert mich. Das Arbeitsamt fordert vom Träger der PSA eine Vergütungsstruktur, der der Tarifvertrag vom Zeitarbeitsanbieter "randstad" zugrunde gelegt wurde. Bezahlt wird gestaffelt nach Qualifikation. Mit der Höhe des Arbeitslosengeldes oder einer früheren Bezahlung habe der Tarif in der PSA nichts zu tun, so Herr F..

Schon Herr G. von "j-ZeitArbeit" hatte mich darüber informiert, dass Tarifverhandlungen zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit und dem DGB als Vertreter der Mitarbeiter geführt werden sollen; neue Regelungen werden ab nächstem Jahr greifen. Durch die Einführung der PSAs ist Bewegung in die Branche gekommen. Herr G. glaubt an eine zukünftige Verteuerung der Zeitarbeit. Kleinere Anbieter werden vom Markt verschwinden, lautet Herrn G's. Einschätzung.


Wohin geht die Reise mit dem PSA-Zug?

Am Ende meiner Recherche über die Chancen der Zeitarbeit für junge Arbeitslose weiß ich zwar mehr über den Wirtschaftszweig, meine Zweifel bezüglich der Hartz-Idee von PersonalServiceAgenturen als Instrument gegen Arbeitslosigkeit konnten jedoch nicht ausgeräumt werden. Denn bezahlte Arbeitsplätze verschwinden tagtäglich in großem Umfang. Wohin wird in Zukunft wer vermittelt werden können? Und junge Menschen, deren Schul- und Ausbildungsvoraussetzungen schlecht sind, bleiben sicherlich weiterhin die Verlierer.

Oder sehe ich das zu negativ? Einige Tage nach meinen Befragungen der Zeitarbeitsfirmen zu PSAs treffe ich eine ehemalige Teilnehmerin der ausbildungsbegleitenden Hilfen unseres Bildungsträgers. Als gelernte Steuerfachgehilfin war sie nach Abschluss ihrer Lehre zwei Jahre arbeitslos. Auf das Thema Arbeit angesprochen, berichtet sie mir strahlend, dass sie eine Anstellung bei einer PSA gefunden hat und am nächsten Ersten dort startet.

Ich frage sie, wie sie die neue Arbeitsstelle einschätzt. Ihr Kommentar: Sie verspricht sich davon, dass sie Berufserfahrung sammeln kann, denn die mangelnde Erfahrung war immer wieder der Grund für Ablehnungen bei Bewerbungen gewesen. "Nach zwei Jahren, in denen ich nur zu Hause gesessen habe, komme ich endlich mal wieder raus", sagt sie. "Und vielleicht finde ich über die Leiharbeit einen festen Arbeitsplatz."

Wir drücken ihr die Daumen!

Erschienen: Licht, Bettina: PersonalServiceAgenturen als Chance für jugendliche Arbeitslose? In: Jugendhilfe, Neuwied: Luchterhand; 41 (2003); Nr. 5; S. 257-264

Persönliche Werkzeuge