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Kaliabbau:Kapital und Arbeit

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[Bearbeiten] Börsennachrichten und neuer Wind aus Kanada

[Bearbeiten] Management überdüngt - Bergleute fordern ihren Anteil

(Artikel aus Sommer 2008)

Diese Woche wurden Anpassungen im Deutschen Aktienindex (DAX) vorgenommen und die 30 größten und umsatzstärksten Unternehmen an der Frankfurter Wertpapierbörse festgestellt. Dabei steigen schlecht platzierte Kandidaten aus dieser höchsten "Liga" ab, andere steigen auf.

Zu den Aufsteigern wird nach den Einschätzungen vieler Analysten (Bekanntgabe nach Redaktionsschluss) die K+S Aktiengesellschaft gehören. Ihre Börsenbewertung liegt mit 13 Milliarden Euro doppelt so hoch wie die Chemie Giganten Merck und Henkel oder die Lufthansa.

Die Börsenumsätze des Rohstofflieferanten K+S AG sind gewaltig und das Konzernergebnis wuchs innerhalb eines Jahres um 447,6 Prozent. Solche Erfolgszahlen sind selbst bei den Börsenspitzenreitern eine Seltenheit.

Erzielt werden die traumhaften Steigerungsraten mit Kalidünger und die K+S AG beherrscht den europäischen Markt. Gefördert wird der Rohstoff für die Mineraldünger in 6 deutschen Kaligruben in Osthessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. In den strukturschwachen Abbaugebieten zählt die K+S AG zu den größten Arbeitgebern. Somit geht die Politik auch sehr zaghaft und vorsichtig mit dem Kaliriesen um.

Der Mineraldüngerabsatz brummt weltweit. Der industrielle Anbau von meist auch noch gentechnisch veränderten Agrospritpflanzen in Monokulturen verlangt nach hohen Düngergaben. Besonders düngerhungrig ist der Mais, aus dem in den USA Ethanol zur Spritbeimischung gewonnen wird.

Die Nachfrage lässt sich nur zum Teil decken. In nur 12 Ländern der Erde wurde bisher Kali gefunden. Fieberhaft wird nach neuen Kalivorkommen gesucht, und stillgelegte Gruben, wie die im thüringischen Roßleben sollen wieder aktiviert werden. Immer höhere Preise für den Rohstoff sind von den Weltmarktführern durchgesetzt worden. 1 100 Dollar bringen derzeit eine Tonne Kali und auch die Preise für Grundnahrungsmittel schnellen in die Höhe, sie sind in den letzten drei Jahren zwischen 80 und 180 Prozent gestiegen.

Neben der deutschen K+S AG gibt es weltweit drei weitere große Lieferanten, der Größte ist die kanadische Potash Corporation of Saskatchewan in der gleichnamigen Prärieprovinz in der Mitte Kanadas. Auf einem Gebiet etwa der Größe Frankreichs, Belgien und der Schweiz zusammen leben noch nicht einmal 1 Millionen Einwohner. Von ihnen sind etwa 30 Prozent deutschstämmige Einwanderer und 13 Prozent Angehörige von indianischen Stämmen wie Sioux und Cree. Dort lagern 50 Prozent der weltweiten Kaliressourcen.

Und genau dort streiken in drei Bergwerken, der Verarbeitung und dem Transport seit einigen Wochen die Kalikumpel. Sie fordern Teilhabe an den explosionsartigen Gewinnen des weltgrößten Kalianbieters.

Ein Angebot des Arbeitgebers über ein Plus von 10 Prozent, würde immer noch niedrigeren Durchschnittslohn als in anderen Minen Kanadas bedeuten, während sich die Lebenshaltungskosten in der Region in einem Jahr nahezu verdoppelt haben. Das sehen die Kumpel nicht ein, auch nicht, dass sich der Konzern um Steuerzahlungen drückt und Manager mit Aktienvorkaufrechten sich ihre Einnahmen vervielfachen.

Sie nutzen ein Bild ihrer Branche, wenn sie sagen: "Das Management wird überdüngt und die Arbeiter werden wie Kompost behandelt". Auch die Armutsrenten von nur 46 Prozent des Lohnes, massive Überstunden auf der einen und unbezahlte Kurzarbeit auf der anderen Seite werden thematisiert. In einer Urabstimmung haben 96 Prozent das Arbeitgeberangebot abgelehnt. Eine Schlichtungsverhandlung verließen die Arbeitgeber und der Streik begann.. Die Kaliarbeiter fordern 49,9 Prozent auf den Grundlohn und vor allem eine gewinnorientierte Jahresprämie. Innerhalb eines Jahres stieg der Gewinn um 220 Prozent, im letzten halben Jahr wurde mit jedem der 5000 Beschäftigten 300 000 kanadische Dollar Profit erzielt. Und von diesem Profit wollen sie ihren Anteil.

Die kanadischen Kaliminen waren bis 1989 Staatseigentum. Die konservative Regierung hat sie privatisiert und für 600 Millionen Dollar verkauft. Heute sind sie ungefähr 60 Milliarden Dollar wert.

"Die Kaligruben zu privatisieren, war eine der schlimmsten finanziellen Entscheidungen in Saskatchewans Geschichte", meint Ken Neumann von der Vereinten Stahlarbeitergewerkschaft, der 280 000 kanadische Arbeiter einschließlich der Kali-Bergarbeiter angehören.

Die Stahlarbeitergewerkschaft USW ist die größte Industriegewerkschaft in Nordamerika. Ihr gehören 1,2 Millionen Industriearbeiter der unterschiedlichsten Branchen in den USA, Kanada und der Karibik an. In diesem Jahr schloss sie sich in einem transatlantischen Bündnis mit der britisch/irischen "Unite the Union" zur 3 Millionen Mitglieder starken Workers Uniting zusammen. In ihrem Grundsatzagreement melden sie den Anspruch an, die erste globale Gewerkschaft aufbauen zu wollen.

Damit ist sie mit ihrer Kampfkraft auch gut gewappnet für den Weltkonzern Potash Corporation of Saskatchewan, der außer den kanadischen Gruben weitere drei Kaligiganten in USA geschluckt hat sowie über Gruben im mittleren Osten verfügt.

Kein Hinweis auf den Streik in der Kalibranche und erst recht keine Solidaritätserklärung findet sich auf den Internetseiten der deutschen IG Bergbau, Chemie, Energie. Die "Sozialpartner" haben 2008 mit 4,2 Prozent Tariferhöhung abgeschlossen.

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